Diskussion: Perspektivwechsel im Urheberrecht

Vorgestern Abend fand im Gästehaus der Universität Hamburg zum wiederholten Male das vom Hans-Bredow-Instituts, der Universität Hamburg und diesmal Hogan Lovells veranstaltete „Hamburger Gespräch zum Medien- und Telekommunikationsrecht“ statt. Das Thema hieß „Perspektivwechsel im Urheberrecht“.

Als Referenten traten Dr. Till Steffen, Justizsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, und Dr. Stefan Engels, Partner der internationalen Sozietät Hogan Lovells, auf. Moderiert wurde die Runde seitens des Hans-Bredow-Institus von Prof. Dr. Wolfgang Schulz.

Nutzerorientierte Ausrichtung des Urheberrechts (?)
Der Hamburger Justizsenator machte schon im März mit dem Diskussionspapier „Nutzerorientierte Ausrichtung des Urheberrechts“ auf sich aufmerksam. In meinem letzten Blog-Artikel habe ich dazu ausführlich Stellung genommen.

Nun ging es mir darum, zu gerade diesem Thema den Justizsenator live zu hören. Ebenso war ich auf die Erwiderung von Herrn Dr. Engels gespannt, von dem ich doch eine scharfe Gegenantwort erwartete.

Als Zuhörer und spätere Diskutanten fanden sich Vertreter der Musikindustrie, der Gerichte und der Anwaltschaft im Gästehaus der Universität ein.

Der Vortrag von Dr. Till Steffens
Den Vortrag „Auf dem Weg zu einer nutzerorientierten Ausrichtung des Urheberrechts – Erste Regelungsvorschläge“ von Dr. Till Steffens fand ich dann doch etwas enttäuschend. Im Wesentlichen fasste er sein Diskussionspapier noch einmal zusammen. D.h. er sprach darüber, dass das Urheberrecht aufgrund der veränderten äußeren Umstände, insbesondere wegen der fortschreitenden Digitalisierung unseres Lebens, reformiert werden müsse. Und zwar weg von dem ausschließlichen, individualistischen Schutz des Urhebers hin zu einem Urheberrecht, das auch dem Nutzer eines Werkes eine schützenswerte eigene Position einräumt.

Letzlich möchte Dr. Till Steffen wohl insbesondere hinsichtlich der folgenden Punkte eine breite Diskussion anstreben:

  • Umbenennung des Gesetzes in „Gesetz über Urheberrechte, verwandte Schutzrechte und Nutzungsfreiheiten“
  • Einführung einer Normzweckklausel „§ 1 Zweck des Gesetzes ‚Die Urheber von Werken […] sowie Werknutzende genießen Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes'“ mit entsprechender Änderung von § 11 UrhG.
  • Stärkung des Rechts auf Privatkopien
  • Reduktion des umfassenden Schutzes für „Alltagsfotografien“, insb. wenn die Bilder „allgemein zugänglich“ sind, da durch die technische Entwicklung solche Fotografien nicht mehr schützenswert seien.
  • Infragestellen der Dauer des urheberrechtlichen Schutzes (bisher: 70 Jahre post mortem)
  • Einführung einer „Kulturflatrate“ (zum Ausgleich der kostenfreien Privatnutzung von digitalisierten Werken)
  • Abwälzen der Kosten der ersten Mahnung auf den Rechteinhaber anstelle den Rechtsverletzer

Meine Gedanken dazu können ausführlich hier nachgelesen werden.

Der Vortrag von Dr. Stefan Engels, HoganLovells
Der Vortrag von Dr. Stefan Engels „Leistung muss sich lohnen“ – Der legitime Schutz kreativer Schöpfungskraft“ war da dann aus meiner Perspektive doch ungleich interessanter. Wenn es auch weniger ein Vortrag war als, mit Vorankündigung von Dr. Engels selbst, ein „die richtigen Fragen stellen“.

Zunächst warf der Rechtsanwalt die Frage auf, ob den tatsächlich ein Akzeptanzproblem hinsichtlich der Urheberrechte besteht. Als Ursachen für ein mögliches Akzeptanzproblem machte er zum einen die Anonymität im Netz aus. Zum anderen trage die Einfachheit, mit der Urheberrechtsverletzungen durch einen Klick begangen werden können, eben dazu bei. Dass ein „Klick“ ebenso eine Urheberrechtsverletzung darstelle wie das Brennen einer CD sei vielen nicht bewußt.

Dieses derzeit bestehende Akzeptanzproblem sei jedoch kein Grund dafür, den Schutz von Urhebern zu minimieren. Er fand dazu ein etwas weniger drastisches Beispiel als ich. Herr Dr. Engels bemühte den allseits stattfindenden „Fahrradklau“, um darauf hinzuweisen, dass rechtswidriges Verhalten nicht dadurch Legitimation – auch und gerade nicht über die Rechtspolitik – erhalten könne, nur weil es immer und überall in der Gesellschaft stattfindet. Der Respekt vor dem Eigentum – auch dem geistigen müsse erhalten bleiben.

Weiter führte Herr Dr. Engels an, dass auch das europäischen Rahmenrecht berücksichtigt werden müsse. Schließlich wurde in den Europäischen Richtlinien zum Urheberrecht gerade erst das deutsche Urheberrecht übernommen.

Alles in allem kommt der Anwalt an dieser Stelle zu dem Schluss, dass es sich keineswegs um ein Akzeptanzproblem, sondern vielmehr um ein Informationsdefizit handele. Und deswegen der Schutz der Urheber nicht reduziert, sondern eben dem Missbrauch durch die Nutzer weiter entgegengesteuert werden müsse. Dies insbesondere dadurc,h dass das Informationsdefizit beseitigt werde.

Darüber hinaus monierte der Medienrechtsexperte, dass die Antwort auf eine Reduzierung der Urheberrechte nicht mit dem Hinweis auf eine „Kulturflatrate“ enden könne. Zumal diese ohne weitere Konkretisierung in den Raum gestellt werde und niemand wisse, wie eine solche aussehen, geschweige denn umgesetzt,  werden solle.

Die Diskussion
Bevor die Diskussion endgültig freigegeben wurde, wurde Dr. Till Steffen die Möglichkeit der Replik eingeräumt. Hierzu muss ich leider sagen, dass es sich meines Erachtens um eine klassische, professionelle Politiker-Antwort handelte. Auf die Problematik des Akzeptanzproblems versus Informationsdefizit wurde mit blumigen Worten reagiert, die doch nur das wiederholten, was Dr. Steffen Eingangs schon sagte. Nämlich, dass die Aufklärung nicht funktioniert habe und deswegen nun die Rechtspolitik gefordert sei, die Nutzer in der rechtlichen Gestaltung stärker zu berücksichtigen und ihnen eigene Nutzungsrechte in größerem Umfang zu gestatten. Insbesondere auf das eingängige Beispiel des „Fahrradklaus“ ist der Senator gar nicht eingangen. Gerade hierzu hätte ich mir eine stringente Antwort gewünscht.

Hinsichtlich der „Kulturflatrate“ führte Dr. Steffen an, dass  in die Richtung einer GEZ-Gebühr zu denken sei, die jeder Nutzer eines Internet-Zugangs abzugeben habe und über die die Ausfälle der Industrien kompensiert werden könnten. Weitere Ausführungen unterblieben allerdings. So bleibt sowohl offen, wie denn diese Abgabe auf alle Internetnutzer sinnvoll (man mag gar nicht an die grundrechtliche Rechtfertigung einer solchen Zwangsabgabe denken) und verhältnismäßig (!) verteilt werden als auch wie eine Rückverteilung an die doch stark diservifzierenden Musik- und sonstigen Verlage sowie Urheber stattfinden solle. Einen umsetzbaren Lösungsansatz kann ich hier – neben allen schon von mir diskutierten Problemen – nicht erkennen.

Auch auf verschiedene Anmerkungen aus dem Publikum ging Herr Dr. Steffen im Ergebnis nicht weiter ein. So zum Beispiel, dass es für den Urheber eben gleichgültig sei, ob sein Werk 1.000 Mal gewerblich von einer Person auf rechtswidrige Weise vervielfältigt und verbreitet werde oder ob dies 1.000 Mal von verschiedenen Privatpersonen aus geschehe.

Oder auf die Frage, wie er sich konkret die Abwälzung der Abmahnkosten auf den Verletzten vorstelle. Hierzu führte der Senator zwar an, dass derjenige dessen Eigentum in Form von Grund und Boden durch eine Dritten verletzt würde, sich auch auf eigene Kosten mittels des allgemeinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs vor den allgemeinen Gerichten erwehren müsse und dies eben auch von dem urheberrechtlich Verletzten zu erwarten sei. Und darüber hinaus bisher die Abmahnung auch ein sehr deutsches Phanömen sei, was zeige, dass diese europäisch betrachtet nicht zwingend notwendig sei. Der Gegenhinweis aus dem Publikum jedoch, dass aber eine Verletzung von Grund und Boden vielleicht einmal vorkomme, aber eine Urheberrechtsverletzung eben 100fach in der Woche auftreten könne und deswegen doch eine andere Ausgangssituation darstelle, wurde übergangen.

Und gerade als die Diskussionsrunde so richtig in Gang kam, hieß es, wir müssten nun auch langsam zum Ende kommen, da schließlich wohl alle am Halbfinale Holland – Uruguay interessiert seien. Mhm. War ich. Aber meine Fragen in Bezug auf die Reduktion des Schutzes zur Alltagsfotografie und deren Folgen hätte ich doch noch gerne gestellt… So bleibe ich hier bei meinen Blog-Ausführungen vom 30.06.

Mein Schlusswort
Wirklich erhellend war der Vortrag von Dr. Steffen nicht. Jedenfalls nicht derart, als dass ich die Ansätze nun nachvollziehen könnte. Drum schließe ich mich dem Schlusswort von Herrn Dr. Engels an, der befürchtet, es werde „hier doch wieder nur politische Symbolik betrieben“.